Die Gefühlslawine

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Im Innern fühlst du diese unbändige Lust deinem Leben eine neue Richtung geschenkt
zu haben. Endlich wieder ein lohnendes Ziel!
Und wie sagt man doch: "Wenn das Herz voll ist, quillt der Mund über."

So kam es, wie es kommen musste:
Brodelnd voll positiver Energie und dem übereifrigen Drang meine neuen Erkenntnisse
über mich selbst
Preis zu geben folgte ein Kontakttelefonat nach dem anderen. Verwandten und Freunde
erhielten siedend heiß die News:
"Ich bin jetzt in der Finanzbranche tätig und habe eine affenscharfe Produktpalette an der Hand,
bei der ihr nicht nein sagen könnt."

Ihr schmunzelt, nicht wahr? Etliche von euch können sicherlich auf gleiche Erfahrungen
in der Kosmetik- Wellness- und Networkbranche zurückgreifen.
Direktmarketing, hier werden die größten zwischenmenschlichen Fehler gemacht.
Damals war es mir völlig unklar, warum mein überaus enthusiastischer Funke kein bisschen überspringen wollte.
Abblocken und Ausreden, mitleidige Blicke waren an der Tagesordnung, gerade bei den Menschen, von denen
ich mir mehr Verständnis erhofft hatte. Natürlich gab es auch wohltuende Ausnahmen :-)

"Du hast etwas Neues kennen gelernt? Prima - komm und erzähle mir davon, ich schenke dir gerne ein offenes Ohr,
denn du bist mir wichtig. Und wenn du Unterstützung  benötigst, so bin ich jederzeit für dich da!"
Das klingt schon fast märchenhaft.

Diese bittere Erfahrung, dass man in seinen geistigen Schubladen eine falsche Menschenkatalogisierung
vorgenommen hatte, schmerzte auf das Äußerste. Zuerst begann die Fehlersuche bei den anderen.
Vielleicht eine Art Oberflächlichkeit, die zu dieser Agonie führte?

Darf ich ehrlich sein?
Was weiß ich wirklich über das Leben anderer Menschen?
Eigentlich erschreckend wenig. Meine Ahnungen werden nur durch Erlebtes, gehörtes und mein Bauchgefühl geleitet.
Wer will es sich anmaßen darüber ein Urteil zu treffen?

Ein altes indianischen Sprichwort vermittelt diesen Inhalt auf seine ganz besondere Weise:
"Bevor du einen Menschen verurteilst, sollst du dreißig Tage in seinen Mokassins gelaufen sein!"

Dieser Ausspruch gab mir sehr zu denken und ich fand meine innere Ruhe.
Danach habe ich keinen mehr unter einer "abgesprengten, großen Schneewehe" begraben,
sondern die Individualität akzeptiert.

© Heidemarie Andrea Sattler